Mit leichtem Gepäck
Hilde
Domin
geborene Löwenstein, verheiratete Hilde
Palm (* 27. Juli 1909 in Köln; + 22. Februar 2006 in Heidelberg)
Gewöhn dich nicht.
Du darfst dich nicht gewöhnen.
Eine Rose ist eine Rose.
Aber ein Heim ist kein Heim.
Sag dem Schoßhund Gegenstand ab
der dich anwedelt
aus den Schaufenstern.
Er irrt. Du
riechst nicht nach Bleiben.
Ein Löffel ist besser als zwei.
Häng ihn dir um den Hals,
du darfst einen haben,
denn mit der Hand
schöpft sich das Heiße zu schwer.
Es liefe der Zucker dir durch die Finger,
wie der Trost,
wie der Wunsch,
an dem Tag
da er dein wird.
Du darfst einen Löffel haben,
eine Rose,
vielleicht ein Herz und, vielleicht,
ein Grab.
Rezept
Mascha Kaleko (gebürtig Golda Malka Aufen, * 7. Juni 1907 im galizischen Chrzano'w, Österreich-Ungarn, heute Polen; + 21. Januar 1975 in Zürich)
Jage die Ängste fort Und die Angst vor den Ängsten. Für die paar Jahre Wird wohl alles noch reichen. Das Brot im Kasten Und der Anzug im Schrank. Sage nicht mein. Es ist dir alles geliehen. Lebe auf Zeit und sieh, Wie wenig du brauchst. Richte dich ein. Und halte den Koffer bereit. Es ist wahr, was sie sagen: Was kommen muß, kommt. Geh dem Leid nicht entgegen. Und ist es da, Sieh ihm still ins Gesicht. Es ist vergänglich wie Glück. Erwarte nichts. Und hüte besorgt dein Geheimnis. Auch der Bruder verrät, Geht es um dich oder ihn. Den eignen Schatten nimm Zum Weggefährten. Feg deine Stube wohl. Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn. Flicke heiter den Zaun Und auch die Glocke am Tor. Die Wunde in dir halte wach Unter dem Dach im Einstweilen. Zerreiß deine Pläne. Sei klug Und halte dich an Wunder. Sie sind lang schon verzeichnet Im grossen Plan. Jage die Ängste fort Und die Angst vor den Ängsten. |
Was west und schön ist
William Shakespeare (1564-1616)
Übersetzung Paul Celan
Was
west und schön ist, du erhoffst ein Mehr
von ihm: die Rose Schönheit soll nicht sterben.
Und gibt sie, die gezeitigte, die Krone her,
so wahre, was sie war, ihr zarter Erbe.
Doch
du, ins eigne Auge eingeengt,
verbrauchst dich selbst, daß deine Flamme loht,
du darbst und hungerst, überreich beschenkt,
und bist, der dich am grausamsten bedroht.
Kein
Schmuck wie du, den sich ein Jahr je gab;
kein solcher Herold seiner Farbenfreuden;
doch du: die eigne Knospe ist dein Grab,
ein einzig Knausern bist du im Vergeuden.
Denk
an die Welt und was ihr Erbteil ist,
du, der du dich nicht sattgräbst und es frißt.