„Gott war wie ein warmer Mantel im kalten Wind“




„Diese vertraute Hand zu beerdigen war einfach grausam.“

Es ist kurz vor Weihnachten. Petra Lütjen und ihr Ehemann Ralph haben sich nach einem arbeitsreichen Tag für den Abend verabredet. Doch Ralph erscheint nicht. Erst am nächsten Morgen erfährt Petra, dass ihr Mann einen schweren Autounfall hatte. Er ist lebensgefährlich verletzt und liegt im künstlichen Koma. Nach Tagen zwischen Hoffen und Bangen stirbt er. Zurück bleibt seine Witwe: Petra und Ralph waren nur dreieinhalb Jahre verheiratet.

Wie haben Sie die Zeit erlebt, als Ihr Mann zwar im Koma lag, aber Sie noch nicht wuss­ten, wie alles ausgehen würde?
Petra Lütjen: Das war eine harte Zeit. Sie bestand aus Hoffen, Bangen, Beten, Kämpfen, Rebellieren – aus allem, was jemand durchmacht, der Abschied nehmen muss. Ich erlebte, dass in diesem Leben jedem alles passieren kann.

Wie hat Ihr Umfeld auf das Unglück reagiert?
Das Gute war, dass ich von meiner Familie und lieben Freunden sehr umsorgt wurde. Viele bangten und beteten mit. Bei ihnen war ich mit meinen Fragen, mit meinem Kla­gen und Schreien willkommen. Aber sie waren auch praktisch für mich da. Ich denke, dass Gott sie mir zur Seite gestellt hat. Überhaupt waren Bezie­hungen für mich in dieser Zeit das, was zählte. Ein Kollege hat mir ein Lied geschrieben, das mich sehr getröstet hat. Andere haben für mich eingekauft oder ge­kocht. Das waren Zeichen der Liebe. Und die helfen, so etwas durchzuste­hen.

Was empfanden Sie, als Ihr Mann starb?
Es war ganz hart, ganz unwirklich und un­vorstellbar, an seinem Grab zu stehen. Man erlebt einen Menschen mit seinem Körper, seinem Lächeln, seinem Gang oder der Art, wie er einem die Hand entge­genstreckt. Und diese vertraute Hand dann zu beerdigen, das ist einfach grausam. Und es soll mir niemand sa­gen, es sei nicht so. In solchen Mo­menten weisst du: Der Tod ist der Feind des Menschen. Doch etwas gab mir Trost: Ich glaubte daran, dass Ralph nun bei dem Gott ist, an den er glaubte, und dass es ihm dort gut geht. Es hat mir gehol­fen, zu wissen, dass er von seinem Zuhause hier in sein ewiges Zuhause bei Gott gegangen ist, wo es kein Leid und keinen Schmerz und keine Tränen mehr gibt.

Gab es etwas Spezi­elles, das Sie in dieser Zeit ermutigt hat?
Ich hatte irgendwann einmal einen Satz von Jochen Klepper gelesen, der mir in dieser Zeit wieder in die Hände kam: „Manchmal meint man, Gott müsse einem in all den Widerständen des Lebens ein sichtba­res Zeichen geben, das einem hilft. Dies aber ist sein Zeichen: Dass er es einen durchhalten, es wagen und dul­den lässt.” Das stimmt. Man geht erst kleine Schritte, das Herz ist ganz zaghaft. Ich mag es nicht besonders, wenn man sagt: Da hat Gott mich getragen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Gott mich tragen würde. Aber er ging mit mir, er war wie ein Arm um die Schulter oder ein warmer Mantel im kalten Wind. Aber gehen musste ich schon selber.

Kann man die Frage nach dem Sinn immer beantworten?
Also, ich finde, nein. Das mögen andere anders sehen, aber ich glaube, dass nicht alles, was auf dieser Erde passiert, einen Sinn macht. Das hätten wir zwar gerne, damit wir Dinge immer einsortieren können. Aber das geht nicht, jedenfalls nicht in dieser Welt. Wir leben nicht im Paradies. Wichtig ist, dass wir wissen, mit wem wir so etwas durchstehen können, dass Gott unser Gegenüber ist.